Wenn Stress zum Lebensabschnittsgefährten wird
Neurologie und Psyche Wir wachen morgens mit ihm auf, nehmen ihn mit ins Büro und abends häufig sogar mit ins Bett: Stress. Doch während ein One-Night-Stand mit ihm uns nur tiefe Augenringe beschert, geht eine dauerhafte Beziehung zu Lasten der Gesundheit.
Ein Artikel über Stress? Der schreibt sich doch von ganz allein! Bei einer freien Journalistin und vierfachen Mutter wie mir ist Stress schließlich Dauerthema! Angesichts der Dringlichkeit des Auftrags mache ich mich sogleich ans Werk und schiebe den Text eben mal dazwischen. Eine Arbeitsplanänderung, deren Stresspotenzial mir durchaus bewusst ist. Ich starte meine Recherche mit einem Stresstest, die gibt’s zuhauf im Internet. Nach zig Fragen erfahre ich, dass ich im Augenblick „körperlich und seelisch ziemlich im Gleichgewicht" sei. Keine Anzeichen von Stress? Wie kommt‘s?
Guter Stress, böser Stress
Stress hat offensichtlich zwei Gesichter: Der wortwörtliche Druck, die Anspannung, die Widerstandshaltung, in die er uns in Reaktion auf innere wie äußere Reize (sogenannte Stressoren) versetzt, werden von uns kurzfristig als gut erträglich – wenn nicht gar stimulierend im Sinne von leistungssteigernd – empfunden, während sie auf Dauer kaum auszuhalten sind. Der positiv empfundene Eustress kostet uns sicher auch Kraft und Nerven, aber er schadet selbst auf Dauer nicht. Im Gegenteil: Er kann sogar glücklich machen. Negativer Disstress hingegen lässt sich kaum kompensieren, wir fühlen uns angesichts seiner bedroht und überfordert.
Stress macht Körper & Seele krank
Wird Disstress zum Lebensabschnittsgefährten, verändert er unser Wesen, sowohl körperlich als auch seelisch. Und selbst wenn jeder von uns anders auf Stress reagiert, sind körperliche Reaktionen wie Abbau von Gehirnmasse, Schwitzen, Übelkeit, Muskelverspannungen, Magen-Darm-Probleme oder Gefühle wie Traurigkeit, Angst, Ärger, Schuld, Verlassenheit, Müdigkeit, Hilf- und Hoffnungslosigkeit, Gereiztheit typisch. Stress bremst Appetit, Lust und Kreativität, kurz: all das, was uns antreibt. Grund genug, an Trennung zu denken, oder?
Trennung vom Stress
Doch wie trennt man sich von krankmachendem Stress? Der steckt doch in unser aller Leben, auch wenn die wenigsten ihn eingeladen haben. Doch halt! Ist es so, dass wir negativen Stress als solchen wahrnehmen und konsequent handeln, um ihn nicht den Takt angeben zu lassen, nach dem wir leben? Sage ich „Nein!“ zu einem Last-Minute-Auftrag wie dem hier, der mich über das mir selbst gesetzte, monatliche Schreiblimit bringt? Die Antwort haben Sie schwarz auf weiß vor sich liegen.
Wie mir ergeht es sicher vielen. Und wir alle haben unsere Gründe, Stress zuzulassen. Wir sagen Ja statt Nein, um geliebt oder bezahlt zu werden. Wir helfen mit einem selbstlosen Ja anderen, weil wir auch mal Hilfe erwarten. Doch bei all dem Verständnis für die Jas sollten wir dennoch ab und an innehalten, um achtsam zu werden und ein innerlich gefühltes Nein auch laut zu äußern.
Stress habe ich genug, keine Frage! Dennoch empfinde ich ihn nicht als krankmachende Belastung. Dafür sehe ich nur einen Grund: Ich habe bei der Wahl meines Schicksals mit jeder Menge Stress gerechnet und inzwischen gelernt, gesund damit umzugehen – und auch mal nicht nach seinem Takt zu tanzen. Ein paar hilfreiche Strategien dazu stehen in der Tippspalte!