Herr Prof. Pohl, was muss ich mir unter dem Begriff Asthma grundsätzlich vorstellen?

Generell gilt, dass Asthma eine chronische Entzündungserkrankung ist. Jedoch wurde in den letzten Jahren erkannt, dass diese Erkrankung äußerst komplex ist und eine große Heterogenität besteht. Sprich es gibt unterschiedliche Arten von Asthma. Und dadurch ist auch die Sichtweise eine andere geworden. Wir verstehen mittlerweile die immunologische Netzwerke in den Atemwegen viel besser, die verantwortlich sind, dass diese chronische Entzündungserkrankung überhaupt entsteht, wie sich diese Mechanismen gegenseitig beeinflussen und wie sie sich aufschaukeln können. Diese sehr gut definierten Ereignisse sind eigentlich ein immunologisches Desaster. Die Grundprinzipien der Therapie helfen, diese Abläufe und damit die unerwünschten Entzündungsreaktionen wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Also ist jede Asthmaerkrankung anders?

Genau. Wenn mir fünf Asthmatiker gegenüber sitzen, können sich diese ganz wesentlich voneinander unterscheiden. Dabei sprechen wir von  Phänotypen. Das heißt, dass es beim Asthma verschiedene Verlaufsformen gibt, die sich bezüglich Beschwerden, Entzündungsreaktion und Therapieansprechen unterscheiden. Und das allergische Asthma ist eines dieser Typen der Erkrankung.

Wir können sagen, dass es spezielle Krankheitsentwicklungen gibt, die definiert wurden. Wenn ein Allergen auf die Atemwege trifft wird durch Interaktion von angeborenen und erworbenen Immunsystem Mechanismen in Gang gesetzt, die zu einer überschießend Reaktion führen. Das Endresultat ist eine eosinophile Entzündung, die genauso bei einem nicht-allergischen Asthma nachgewiesen werden kann, wo jedoch andere Mediatoren diese hervorrufen. 

Also zwei Entstehungswege mit demselben Endresultat?

Ja. Und diese Unterscheidung ist dabei sehr wichtig! Denn beide Entstehungswege benötigen komplett unterschiedliche Therapieformen, die auf ganz spezielle immunologische Phänomene abzielen und so eine Kontrolle der Entzündungsaktivitäten bewirken können.

Also ist Asthma gut behandelbar?

Generell muss man sagen, dass ein Asthmatiker sehr gut behandelbar ist. Etwa 80 % der Asthmatiker haben mit einer inhalativen Therapie, wo ein Kortison dabei sein muss, einen hervorragenden Behandlungserfolg. 

Stichwort Rhinitis. Was ist das genau und wie wirkt es sich auf Asthmatiker aus?

Die allergische Rhinitis ist der sogenannte Heuschnupfen, der eine regelrechte Volkskrankheit darstellt. Und etwa 40 Prozent der Betroffenen entwickeln aus ihrer allergischen Rhinitis auch ein Asthma bronchiale. Schließlich sind Nase und Lunge ein Atemweg, wir sprechen von „one airway – one disease“. Daher ist es wichtig, bei Heuschnupfen auch regelmäßig die Lungenfunktion kontrollieren zu lassen. 

Stichwort eosinophiles Asthma. Ist damit nur das allergische Asthma gemeint?

So einfach ist das nicht. Grundsätzlich gibt es, wie schon gesagt, zwei Entstehungswege des Asthmas. Den allergischen und den nicht-allergischen Weg. Aber beide Wege münden in das eosinophile Asthma. Eosinophilen Granulozyten sind normale Bestandteile des Blutes. Aber beim Asthma bronchiale kommt es zu einer überschießenden Anhäufung von diesen Zellen in den Atemwegen. Und genau das ist dieser hochaktive Zustand, den man unter Kontrolle bringen und eine Ausbreitung vermeiden muss. Denn im Extremfall führt diese chronische Entzündungsreaktion zu einem Zustand in den Atemwegen mit Umbauprozessen, die zu einer irreversiblen Lungenfunktionsstörung führen.

Liegen besonders schwere Verlaufsformen vor, erhalten diese Patienten eine Antikörpertherapie. Das Besondere daran ist, dass Asthmatiker mit allergischem Asthma ein anderes Medikament brauchen, um diese Eosinophilen aus der Lunge zu vertreiben als ein Asthmatiker mit nicht-allergischem Auslöser. 

Gibt’s Asthma-Alarmzeichen, bei denen ich zum Arzt gehen sollte?

Wenn ein Patient zwischendurch immer wieder einmal Probleme wie Atemnot hat, die mit Hüsteln oder sogar mit anhaltendem Husten einhergehen. Auch ein Druck auf dem Brustkorb bei körperlicher Belastung kann ein Alarmzeichen sein. Dann wird es Zeit, das abklären zu lassen. 

Welche Therapieformen kommen dann zum Tragen?

Wie schon erwähnt lässt sich Asthma hervorragend therapieren. Bei 80 % der Patienten ist das Asthma mit einer inhalativen Therapie bestens kontrollierbar. Das heißt, sie dürfen nachts beim Schlafen keine Beschwerden haben und untertags maximal zweimal die Woche Symptome zeigen, die mit einem Spray leicht behandelbar sind. Der Großteil der Asthmatiker hat keine Einschränkungen bezüglich ihrer Aktivitäten und ihrer Lebensqualität mehr. Und so soll das ja schließlich auch sein! Selbst beim Sport gibt es keine Probleme mehr.

Also alles super?

Wenn das so einfach wäre. Die Asthmatherapie hat etwas Fatalistisches. Die meisten Patienten merken, dass die Therapie hervorragend wirkt. Innerhalb von wenigen Tagen stellt sich Beschwerdefreiheit ein. Und dann setzt der Fatalismus ein, dass die Therapie selbsttätig von den Patienten abgesetzt wird, weil es ihnen schon gut geht. Das teuflische ist aber, dass sich die Beschwerden sehr rasch wieder einstellen. Der schnell spürbare Behandlungserfolg macht viele Patienten zu leichtsinnig. Da gilt es, Bewusstsein zu schaffen.