Herr Prof. Olschewski, was muss ich mir unter dem Begriff „Lungenhochdruck“ grundsätzlich vorstellen?

Der Begriff Lungenhochdruck bezeichnet einen erhöhten Blutdruck in den Lungenarterien. Daher sagt man dazu auch pulmonal arterielle Hypertonie (PAH). Dieser Begriff kann aber auch irreführend sein, weil die PAH nur eine Teilgruppe aller Formen von Lungenhochdruck bezeichnet.

Und welche wären das?

All jene, bei denen der Hochdruck in den Lungenarterien nicht durch eine Lungen- oder Herzkrankheit bedingt ist, sondern von den Lungengefäßen ausgeht. Das ist wichtig zu erwähnen, denn der Begriff PAH ist verknüpft mit der Indikation für gezielte Therapien gegen Lungenhochdruck. Und für PAH gibt es gezielte, zugelassene Therapien.

Also ist die pulmonal arterielle Hypertonie zumindest therapierbar?

Genau. Heilbar ist sie nicht, aber ganz gut therapierbar.

Gibt es Alarmzeichen für Lungenhochdruck?

Patienten merken es in der Regel schon, brauchen aber durchschnittlich zwei Jahre lang, bis sie darauf kommen, dass sie eine ernsthafte Erkrankung haben und nicht einfach nur einen schlechten Trainingszustand. Und dann dauert es noch einmal rund zwei Jahre, bis der erste Arzt darauf kommt, dass es sich um eine pulmonal-arterielle Hypertonie handelt. Insofern vergehen rund 4 Jahre zwischen ersten Anzeichen wie Kurzatmigkeit oder Müdigkeit und der Diagnose PAH. In dieser Zeit verschlechtert sich der Zustand der Patienten so, dass sie im Durchschnitt bereits bei geringer körperlicher Belastung unter Atemnot leiden. Manche Patienten klagen auch über Druck in der Brust oder am Oberbauch bei Belastung oder beim Bücken. 

Also keine eindeutigen Alarmzeichen?

Keine eindeutigen, nein. Die Beschwerden sind vielfältig, meist ist es sehr schwierig, die Diagnose zu stellen. Denn hinter diesen Beschwerden kann alles Mögliche stecken und die meisten Ursachen sind häufiger als der Lungenhochdruck.

Gibt es Risikogruppen?

Prinzipiell kann jeder Mensch PAH bekommen. Vom Neugeborenen bis hin zum Über-Achtzigjährigen, Männer wie Frauen. Es gibt aber Risikogruppen. Das mittlere Alter bei Diagnosen von PAH liegt in etwa zwischen Fünfzig und Siebzig Jahren. Es sind geringfügig mehr Frauen als Männer betroffen. Bei den Dreißig bis Fünfzig Jahre alten Patienten sind deutlich mehr Frauen betroffen. Hier kann die Schwangerschaft als besonderer Trigger wirken. Kurz nach der Entbindung, so in den ersten paar Wochen, kommt es zu einer besonderen Häufung an Lungenhochdruck-Fällen.

Ist unbehandelte pulmonal arterielle Hypertonie tödlich?

Die Lebenserwartung bei unbehandelter PAH beträgt im Median 2,8 Jahre. Das bedeutet, dass die Hälfte der Patienten kürzer als 2,8 Jahre damit leben, die andere Hälfte lebt länger als 2,8 Jahre. Das können auch 2 Monate oder 20 Jahre sein. Die Spanne der Lebenserwartung bei PAH ist sehr groß. Daher macht es keinen großen Sinn für die Patienten, sich auf diese 2,8 Jahre zu versteifen. Mit den neu zugelassenen Therapieformen ist es aber mittlerweile möglich, die Lebenserwartung deutlich zu verbessern.

Lässt sich Lungenhochdruck vorbeugen?

Einer idiopathischen PAH lässt sich nicht wirklich vorbeugen. Es gibt aber einen Risikofaktor, den man leicht ausschalten kann, nämlich die Einnahme von Appetitzüglern. Da gab es einige Skandale mit gefährlichen Appetitzüglern, die zu Lungenhochdruck geführt haben. Ein Teil der Patienten leidet aber auch an genetischen Risikofaktoren. Etwa 20 Prozent der PAH-Betroffenen haben eine genetische Mutation, die ein starkes Risiko für den Ausbruch der Erkrankung darstellt. Wir sprechen hier von der erblichen PAH. 

Bei welchen Anzeichen sollte der Hausarzt an Lungenhochdruck denken?

Insbesondere dann, wenn der Patient eine unerklärte Luftnot hat. Das heißt, die Lungenfunktionsuntersuchung erklärt nicht ausreichend, warum eine erhebliche Luftnot bei Belastung besteht. Auch eine Herzuntersuchung wie die Echokardiografie oder ein Bluthochdruck erklärt es dem Arzt nicht. Auch eine Anämie liegt nicht vor. Und wenn diese relativ häufig vorkommenden Erkrankungen abgeklärt wurden und bis dahin alles negativ ist und war, der Patient aber weiterhin an unerklärter Luftnot leidet, dann sollte der Patient an einen Spezialisten für Lungenhochdruck überwiesen werden. 

Also an einen Lungenfacharzt?

Es gibt Spezialisten aus dem Lungenfach aber auch Spezialisten aus der Kardiologie. Entscheidend ist eine langjährige Erfahrung mit der Diagnostik und Therapie der Erkrankung.