Irene Kramreiter, wann haben Sie Ihre COPD-Diagnose bekommen?

Ich leide seit 30 Jahren an einem aller­gischen Asthma, ausgelöst von einer Pollenallergie. Damit war ich in Behandlung. 2011 sagte mir mein Lungenfacharzt, dass ich sehr schlechte Blutwerte hätte: Zu wenig Sauerstoff im Blut könnte irrever­sible Schäden, vor allem im Gehirn, verursachen. Ich bekam die Diagnose  COPD, und mir wurde Sauerstoff verordnet.

Das heißt …?

… dass ich seitdem einen 1,10 Meter hohen Sauerstofftank in meinem Haus habe, mit dem mich ein zehn Meter langer Schlauch verbindet. Im Tank stecken 45 Liter flüssiger Sauerstoff. Der versorgt mich.

Zehn Meter sind nicht viel, reicht das zum Leben?

Meistens schon. Und wenn nicht, dann muss ich den Tank halt ein bisschen bewegen. Der wiegt jedoch gut 80 Kilogramm.  (lacht)

Dann sind Sie seitdem wegen des Sauerstofftanks buchstäblich ans Haus gebunden?

Nein. Ich habe noch einen mobilen Tank für unterwegs. Damit kann ich für gut drei Stunden aus dem Haus. Das tragbare Gerät lade ich am großen Tank auf.

Haben Sie Angst, dass Ihnen der Sauerstoff mal ausgeht?

Ich weniger als meine Familie (lacht). Wenn mein Mann oder mein Sohn sehen, dass ich langsam in Atemnot gerate, ist das für sie schwieriger zu ertragen als für mich.

Rauchen Sie?

Schon lange nicht mehr. Das ist mehr als 30 Jahre her. Trotzdem: Heute mache ich mir schon Gedanken darüber, dass die Raucherei meine Erkrankung mit verursacht hat.

Welche Behandlung bekommen Sie neben der Sauerstofftherapie noch?

Ich nehme Medikamente zum Inhalieren, die helfen sollen, dass ich von Infekten verschont bleibe und dass die Bronchien ein möglichst großes Volumen behalten. Infolge der Lungenerkrankung ist auch mein Herz in Mitleidenschaft geraten. Das wird deshalb jetzt auch ständig überwacht.

Welche Rolle spielt der Sauerstoff in Ihrem Leben?

Anfangs war ich sehr traurig deswegen. Ich würde mein ganzes Leben ändern müssen. Ich habe immer sehr gerne gearbeitet. Meine Arbeit war mir wichtig. Jetzt würde ich mit Anfang 50 frühpensioniert. Das waren meine ersten Gedanken, als ich die Diagnose vernahm … Dann kam der Sauerstoff. Und ich spürte unmittelbar, wie es mir damit besser ging. Zuvor konnte ich mich nur noch sehr schwer konzentrieren, mich plagten Kopfschmerzen. Symptome, die mit dem Sauerstoff verschwanden. Heute weiß ich: Die Krankheit ist unaufhaltsam. Dennoch lässt sich vieles damit erleben – ich muss nur sehr viel mehr Aufwand betreiben, um das Leben mit COPD zu managen.

Gibt es etwas, das Sie wegen der Krankheit gar nicht mehr tun können?

Ja. Sport. Ich war immer sportlich aktiv. Ich bin viel gelaufen. Ge­ritten. Geschwommen. Das geht heute nicht mehr. Schwimmen in öffent­lichen Bädern ginge theoretisch, aber der Schlauch zum Tank würde andere wohl behindern … Ich habe zugenommen … Heute gehe ich ein Mal die Woche zur Atemphysiotherapie und mache täglich meine Übungen zum Atemmuskeltraining.

Stören Sie die Blicke Ihrer Mitmenschen?

Anfangs hat mich das schon gestört. Heute ist es mir egal. Schlimmer war es für meinen Sohn. Dem fiel es mitten in der Pubertät schwer, sich mit seiner Mama mit Sauerstoffgerät zu zeigen. Jetzt ist es für ihn so selbstverständlich wie für mich.

Können Sie gut schlafen?

Ja. An guten Tagen schon. Über­haupt: An guten Tagen schaffe ich viele Dinge … kochen, Wäsche waschen.

Und an schlechten?

Da muss mir mein Mann schon mal bei den alltäglichen Dingen wie Körperpflege buchstäblich unter die Arme greifen (lacht). Die Arbeit im Haushalt erledigt dann eine Hilfe. Wenn ich einen Infekt habe, be­komme ich nachts auch Atemnot und Beklemmungen.

Was machen Sie heute besonders gerne?

Fahrrad fahren. Mit meinem Schäfer­hund Lotta. Sie ist eine treue Hundeseele und beschützt mich. Sie läuft neben dem Rad, wenn wir ins Grüne fahren. An schlechten Tagen weicht sie kaum von meiner Seite und tröstet mich.

Haben Sie einen guten Rat für andere COPD-Patienten?

Ja, den habe ich in der Tat: Mir hat die Selbsthilfegruppe sehr geholfen. Ich bin da inzwischen sogar selbst aktiv für andere Betroffene. Dort trifft man auf Leute, die die Krankheit COPD auch erleben. Und einem mit Rat und Tat zur Seite stehen. Und für manches eben doch ein anderes Verständnis aufbringen können, als die eigenen Angehörigen. Meinem Mann hat die Selbsthilfegruppe auch gut getan. Er hat dort gesehen, wie viele Menschen mit Sauerstoff leben. Besser leben.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Eine neue Lunge. Aber noch ist es nicht soweit. Es geht mir zwar nicht gut, aber auch noch nicht so schlecht, dass eine Lungentransplantation  anstünde.

Frau Kramreiter, vielen Dank für Ihre offen Art, mit der Sie uns Rede und Antwort gestanden haben. Alles Gute!