Der lichtarmen Jahreszeit trotzen
Neurologie und Psyche Alle Jahre wieder, wenn die Tage kürzer werden und die Sonne kaum zum Vorschein kommt, verschlechtert sich bei vielen Menschen die Stimmung. Sie fühlen sich müde, schlapp und antriebslos. Gezielte Zufuhr von Licht, regelmäßige Bewegung und spezielle Mikronährstoffe können gegensteuern.
Experten schätzen, dass sich rund fünf Prozent der Bevölkerung durch die kalte Jahreszeit mit viel Nebel und wenig Sonnenlicht beeinträchtigt fühlen. Die Betroffenen klagen über depressive und ängstliche Stimmung, über einen Mangel an Energie und Konzentration, sie fühlen sich müde, haben ein geringeres sexuelles Verlangen, stattdessen mehr Appetit und ein verstärktes Schlafbedürfnis. Und manchmal auch mehr Probleme am Arbeitsplatz und in der Partnerschaft.
Weitere zehn bis fünfzehn Prozent leiden an einer milderen, weniger ausgeprägten Form. So gesehen ist jeder fünfte in unseren Breiten in irgendeiner Form während der Herbst- und Wintermonate psychisch angeschlagen. Saisonal abhängige Depression (SAD) wird dieses Phänomen genannt, oder kurz: Winterdepression. Die mildere Variante wird häufig als Winterblues bezeichnet.
„Man vermutet, dass der jahreszeitlich bedingte Lichtmangel zusammen mit einer genetischen Veranlagung für die Beschwerden verantwortlich ist“, sagt Walter Wührer, Arzt für Allgemeinmedizin und Traditionelle Chinesische Medizin in Salzburg. Die Therapie der Wahl kann daher nach Ansicht Walter Wührers nur heißen:
Mehr Licht!
Mit einer therapeutischen Lichtzufuhr kann man den Mangel an natürlichem Sonnenlicht kausal bekämpfen. Die einfachste und wohl auch natürlichste Form wäre, wenn man sich ausreichend oft und lange bei Tageslicht im Freien aufhalten würde. Das kollidiert aber häufig mit den Arbeitszeiten oder aber es fehlen Lust und innerer Antrieb. Dafür gibt es spezielle Lampen, die ein sehr helles, weißes Licht ohne schädlichen UV-Anteil abgeben. Man muss sich eigentlich nur 30 bis 60 Minuten – je nach Gerätetyp – in einem Abstand von 60 bis 70 Zentimetern zu dieser Lampe setzen. Am besten am Morgen. Dabei kann man lesen, telefonieren, Radio hören und anderen sitzenden Tätigkeiten nachgehen.
„Ungefähr einmal pro Minute sollte man kurz direkt in die Lampe schauen. Also nicht die Augen verschließen, wenn man bei der Lampe sitzt“, empfiehlt der Arzt. Denn das Licht könne direkt über die Augen Teile des Gehirns beeinflussen, also von der Netzhaut, wo es aufgenommen wird, über den Sehnerv die Nervenzellen im Hypothalamus erregen. Diese Hirnregion bildet sozusagen die biologische Uhr, die den Schlaf-Wach-Rhythmus steuert. Nach spätestens drei Tagen sollte man mit Hilfe der Lichttherapie eine spürbare Verbesserung der Stimmung und mehr Energie verspüren. Was die Auswahl der Geräte betrifft, so empfiehlt Dr. Wührer sich professionell beraten zu lassen.
Mehr Bewegung!
Wer lieber das natürliche Tageslicht nützen will, der könnte nach Ansicht von Walter Wührer den Aufenthalt im Freien auch gleich für sportliche Aktivität nützen und zum Beispiel Ausdauersport betreiben. Denn von körperlicher Aktivität weiß man, dass sie die Stimmung positiv beeinflusst und negative Gedanken in den Hintergrund drängt. Zum Beispiel, weil man beim Nordic Walking oder Laufen derartig auf die Bewegung fokussiert ist oder ganz bewusst auf seine Atmung achtet, dass man das Grübeln regelrecht vergisst. Außerdem stellt sich bei vielen Menschen nach der körperlichen Aktivität ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit ein, weil man etwas geschafft hat – trotz Nebels oder leichten Schneefalls. Freilich sollte man die Aktivität in der optimalen Dosis durchführen, also sich zum Beispiel nicht überfordern und auspowern.
Hilfreiche Mikronährstoffe
Müdigkeit, allgemeine Schwäche und Antriebslosigkeit sind auch Symptome eines Mangels an Vitamin D. Dieses Vitamin kann man nur bedingt mit der Nahrung zuführen, vielmehr muss es der Körper selbst bilden. Und dafür benötigt er jenes Sonnenlicht, das auf die Haut auftrifft, was in den Wintermonaten bei dem Sonnenstand und den Temperaturen in unseren Breiten nur schwer zu realisieren ist. Daher ist nach Ansicht von Dr. Wührer in vielen Fällen eine gezielte Zufuhr von Vitamin D in der kalten Jahreszeit empfehlenswert.
Walter Wührer war es auch, der im vergangenen Winter eine viel beachtete Studie geleitet hat, die den Einfluss der Aminosäure 5-Hydroxytryptophan, kurz 5-HTP, auf die Stimmungslage und die Ängste der Teilnehmer untersucht hat. Diese Aminosäure ist in der afrikanischen Schwarzbohne namens Griffonia enthalten. Sie ist in Afrika seit langem als Aphrodisiakum und Stimmungsaufheller bekannt. Nach einer dreimonatigen Einnahme der Aminosäure zusammen mit einigen wichtigen B-Vitaminen ergab sich bei den Teilnehmern im Vergleich zu jener Gruppe, die lediglich ein Placebo erhalten hat, eine deutliche Besserung der Stimmung. Auch Angstgefühle konnten signifikant reduziert werden.
Wann zum Arzt?
Allerdings empfiehlt Walter Wührer, dass man sich bei starker Beeinträchtigung oder anhaltenden depressiven Beschwerden unbedingt in ärztliche Behandlung begeben sollte. Dann muss vielleicht sogar eine medikamentöse Therapie mit Antidepressiva in Betracht gezogen werden.