Wenn das süße Gold krank macht
Diabetes Die Zahl an Fettleibigen ist in den letzten Jahrzehnten in Europa parallel zu einer Zunahme der Erkrankungen an Typ-2-Diabetes drastisch gestiegen. Laut Dr. Susanne Kaser ist Ernährung aber nicht der einzige Faktor.
Frau Dr. Susanne Kaser, Sie sind die Leiterin des Christian-Doppler Forschungslabors für Insulinresistenz in Innsbruck. Wie würden Sie die Erkrankung an Diabetes Typ 2 ganz allgemein erklären?
Beim Diabetes mellitus Typ 2 (sogenannter Alterszucker) handelt es sich um eine Zuckerstoffwechselerkrankung. Das körpereigene Insulin reicht nicht mehr aus, um den Blutzuckerspiegel entsprechend zu senken. Ein Charakteristikum des Diabetes mellitus Typ 2 ist die Insulinresistenz. Prädiabetes ist dagegen eine Vorstufe dieses Diabetestyps, bei der der Zuckerwert bereits nüchtern oder nach einer Mahlzeit erhöht ist, diese Erhöhung jedoch noch nicht den Kriterien des Diabetes mellitus Typ 2 entspricht. Bei der Typ 1 der Diabeteserkrankungen fehlt das Insulin hingegen völlig.
Wie kann man diese Zuckerstoffwechselerkrankung am besten erkennen?
Häufig wird die Diagnose Diabetes mellitus Typ 2 zufällig im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen gestellt. Wenn die Blutzuckererhöhung schon sehr ausgeprägt ist, kann es zu Flüssigkeitsmangel, starkem Harndrang, häufigen Infektionen und verzögerter Wundheilung kommen.
Was sind die häufigsten Ursachen von Diabetes Typ 2?
Wir wissen, dass die genetische Komponente eine wesentliche Rolle spielt. Hat man also ein Elternteil, das an Diabetes leidet, besitzt man selber ein erhöhtes Risiko. Eine weitere bedeutende Ursache ist aber sicher Übergewicht. Denn je dicker, desto mehr Fettgewebe. Fettgewebe wiederum kann schädliche Stoffe für den Glukosestoffwechsel produzieren, was Diabetes begünstigt.
Es gibt demnach einen Zusammenhang zwischen dem Lebensstil und der sogenannten Zuckerkrankheit?
In den letzten 10 bis 20 Jahren hat die Diabeteshäufigkeit parallel zum Anstieg von Übergewicht und Adipositas deutlich zugenommen. Demnach spielt der Zusammenhang zwischen Ernährung und Erkrankung sicherlich eine Rolle. Fairerweise dürfen aber andere Komponenten, wie die Genetik, nicht unerwähnt bleiben. Man kann stark übergewichtig sein und keinen Typ-2-Diabetes entwickeln. Man kann aber auch nur ein mildes Übergewicht besitzen und dennoch daran erkranken.
Gibt es zum Thema Diabetes Ihrer Meinung nach hartnäckige Mythen, die sich in der Gesellschaft halten?
Sehr gefährlich wäre es, zu behaupten, dass jemand an seiner Erkrankung selbst schuld ist. Denn dafür spielen einfach zu viele Faktoren eine Rolle. Natürlich hat es aber auch etwas mit der Ernährung zu tun. Demnach ist es sicher besser, mehr Ballaststoffe zu sich zu nehmen oder auf mediterrane Kost umzusteigen. Aber man kann diese Krankheit nicht allein auf die Selbstverantwortung eines Menschen reduzieren.
Worauf legen Sie zurzeit in Ihrer Forschung für Insulinresistenz den Schwerpunkt?
Es sind verschiedene Organe an der Entwicklung einer Insulinresistenz beteiligt. So etwa die Leber, die Skelettmuskulatur und das Fettgewebe. In unserem Forschungslabor wird das Zusammenspiel dieser verschiedenen Organe untersucht. Wie interagiert beispielsweise die Leber mit dem Fettgewebe oder mit der Skelettmuskulatur. Wir beobachten diese Verbindungen, damit wir verstehen, wie sich verschiedene Ernährungsfaktoren auf eine schädliche Organwirkung, wie die Insulinresistenz, auswirken.
Können Sie unsere Lesern Tipps zur Diabetes-Prävention geben?
Der Tipp Nummer eins ist, normalgewichtig zu bleiben und viel Bewegung zuzulassen. Ernährungstechnisch sollten wir uns der mediterranen Diät anpassen. Demnach wenig tierisches Fett und viele Ballaststoffe. Dazu zählen beispielsweise Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse, aber auch Obst und Gemüse. Wenn man Fett zu sich nimmt, sollte man außerdem auf die Qualität achten. Die Hauptfettquelle im Mittelmeerraum ist das Olivenöl.
Welche Maßnahmen sollte man treffen, wenn man bereits eine Insulinresistenz entwickelt hat?
Was für die Prävention gilt, gilt im Allgemeinen auch für das Leben mit Insulinresistenz. Das heißt, das Gewicht so gut als möglich zu normalisieren und auf viel Bewegung zu achten. Denn Tatsache ist, dass man einen Großteil der Mechanismen wieder umkehren kann. Sei es durch Gewichtsreduktion, durch vermehrte körperliche Bewegung oder durch die richtige Ernährung. Es ist auf jeden Fall noch nicht zu spät.