Univ. Prof. Dr. Bernd Saletu
Leiter des Instituts für Schlafmedizin im Rudolfinerhaus
Facharzt für Psychiatrie und Neurologie und Klinische Pharmakologie

Ab wann spricht man von Schlafstörungen und welche Arten gibt es?

Schlafstörungen sind Störungen der Dauer, der Qualität und des Zeitpunktes des Schlafes und können in Insomnie (zu wenig Schlaf), Hypersomnie (zu viel Schlaf) und Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus unterteilt werden. Zu diesen sogenannten Dyssomnien gesellen sich noch Parasomnien, d.h. Schlafstörungen, die durch unerwünschte physische und psychische Ereignisse beim Einschlafen und im Schlaf sowie durch Weckreaktionen aus dem Schlaf charakterisiert sind. Dazu zählen Aufwachstörungen aus dem Non-REM-Schlaf (z.B. Schlaftrunkenheit, Schlafwandeln, nächtliches Aufschrecken), Schlaf-Wach-Übergangsstörungen (z.B. Einschlafzuckungen, Sprechen im Schlaf, nächtliche Beinkrämpfe), REM-Schlaf-assoziierte Parasomnien (z.B. Albträume, REM-Schlaf-Verhaltensstörungen, Schlaflähmung) und andere Parasomnien (z.B. Bettnässen, schlafbezogene Halluzinationen).

Im weltweit gebräuchlichen ICD-10-Klassifikationssystem der WHO, das alle Krankheiten auflistet, unterscheidet man 18 Schlafstörungen, im speziellen von Spezialisten für Spezialisten entwickelten Klassifikationssystem der Schlafstörungen (International Classification of Sleep Disorders, ICSD-3) werden derzeit insgesamt 97 Schlafstörungen angeführt.

Die ICD-10 unterscheidet zwischen nichtorganischen und organischen Schlafstörungen. Zu ersteren zählen Insomnie, Hypersomnie, Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, Schlafwandeln, Pavor nocturnus, Albträume und andere bzw. nicht näher bezeichnete nichtorganische Schlafstörungen. Organische Schlafstörungen umfassen organisch bedingte Ein- und Durchschlafstörungen, krankhaft gesteigertes Schlafbedürfnis, Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus, Schlafapnoe, Narkolepsie und Kataplexie und sonstige bzw. nicht näher bezeichnete organische Schlafstörungen. Dazu kommen noch aus dem Kapitel „Sonstige extrapyramidale Krankheiten und Bewegungsstörungen“ die periodischen Beinbewegungen und das Restless-Legs-Syndrom und aus dem Kapitel „Symptome und abnorme klinische Laborbefunde“ die Störungen der Atmung, insbesondere das primäre Schnarchen.

„Schlaf ist für den Menschen, was das Aufziehen für die Uhr ist.“ (Arthur Schopenhauer)

Wie viel Schlaf braucht der Mensch?

Die Schlafdauer ist individuell unterschiedlich. Untersuchungen der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung (ÖGSM) zeigen, dass fast 2/3 der Österreicher (62%) 7-8 Stunden Schlaf brauchen, um sich am nächsten Tag ausgeruht und fit zu fühlen, wobei Männer in der Regel mit einer Stunde weniger auskommen als Frauen. 9% brauchen 9 Stunden, 17% 6 Stunden. Für Kurzschläfer (1 bzw. 6%) reichen nach unseren und auch amerikanischen Untersuchungen 4-5 Stunden Schlaf, während für Langschläfer (3 bzw. 1%) 10-11 Stunden gerade genügen. Das Alter spielt in Bezug auf die Schlafdauer eine entscheidende Rolle. So benötigen Neugeborene 16 Stunden Schlafzeit und 8 Stunden Wachzeit, wobei die Schlaf- und Wachperioden mehrphasig über 24 h verteilt sind. Mit dem Reifungsprozess des Gehirns konzentriert sich der Schlaf zunehmend auf die Nacht und auf eine kürzere Periode am frühen Nachmittag, sodass Kleinkinder 11 Stunden schlafen und 13 Stunden wach sind. Bei Erwachsenen beträgt die Schlafzeit etwa 8, die Wachzeit etwa 16 Stunden, während ältere Menschen aufgrund von Naps wieder eine Tendenz zu mehrphasigen Mustern zeigen, wobei insgesamt 6 Stunden Schlafzeit 18 Stunden Wachzeit gegenüber stehen.

Was empfehlen Sie Personen, die unter Schlafstörungen leiden?

  1. Selbst- und Fremdbeurteilung der Schlafstörung mit Hilfe von Selbstbeurteilungsfragebögen, wie z.B. in unserem soeben erscheinenden Buch „Faszination Schlaf. Schäfchen zählen war gestern. Prof. Dr. Bernd Saletu, Mag. Dr. Susanne Altmann, Maudrich Verlag, 2015.
  2. Mit den gewonnenen Erkenntnissen Aufsuchen eines Arztes, in der Folge eines Facharztes, der in der Schlafmedizin zuhause ist (Psychiater, Neurologe, Internist, Pädiater, HNO-Spezialist), und als Goldstandard ein Schlaflabor. Dort werden subjektive und objektive Messungen zur Diagnose und Therapie von Schlafstörungen durchgeführt. Merke: Wie überall in der Medizin gilt: Zuerst die Diagnose, dann die Therapie.

Wie wichtig ist die gesunde Lunge für einen guten Schlaf?

Für einen guten Schlaf sollten alle Organe perfekt funktionieren. In erster Linie das Gehirn, welches ja der eigentliche Sitz des Schlafes ist, denn dort laufen alle Meldungen aus der Peripherie zusammen und gehen alle Befehle an die Peripherie hinaus. Falls mit der „gesunden Lunge“ schlafbezogene Atmungsstörungen angesprochen sind, so sei bemerkt, dass die Schlüsselstelle für diese „einen Stock höher“ liegt, nämlich für die obstruktive Schlafapnoe im Rachenbereich, für zentrale Apnoen in der Zusammenarbeit zwischen Gehirn, Herz und Lunge.

Welche Rolle spielen Umweltfaktoren?

Eine ganze Reihe von Umweltfaktoren beeinflussen unseren Schlaf. Das Bett in seinem engsten Sinne genauso wie Licht, Kälte, Hitze, Lärm, Bewegungen des Bettpartners oder die Notwendigkeit, wach zu bleiben, wenn Gefahr droht oder man sich um ein Kind oder einen kranken Menschen kümmern muss. Auch ärztliche Interventionen oder ein abnormer Schlaf-Wach-Zyklus im Zuge eines Krankenhausaufenthalts können zu Schlafstörungen führen. Dabei spielt natürlich die Sensibilität des Betroffenen eine große Rolle. Ältere Menschen reagieren generell sensibler auf Umwelteinflüsse als jüngere, und die Sensibilität gegenüber Umwelteinflüssen nimmt gegen Schlafende zu. 

Man denke man aber natürlich auch an persönliche und berufliche Probleme, die Auslöser für Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen an Stress mit Angst und depressiver Reaktion sein können.  

Was geschieht bei einer obstruktiven Schlafapnoe?

Bei einer obstruktiven Schlafapnoe kommt es zu wiederholten Episoden einer kompletten (Apnoe) oder partiellen Obstruktionen der oberen (pharyngealen) Atemwege im Schlaf. Diese respiratorischen Ereignisse führen bei Erwachsenen zu einer Reduktion der Atmung über eine Dauer von mindestens 10 Sekunden (bei Kindern 2 fehlende Atemzüge) und sind typischerweise von einem Abfall der Sauerstoffsättigung von mindestens 3 bzw. 4 % (USA/Europa) und einer Mikroweckreaktion (Arousal) im EEG (Elektroencephalogramm) begleitet. Damit in Zusammenhang stehende Symptome sind nächtliche Atmungsstörungen (Schnarchen, Schnappen nach Luft), Atempausen im Schlaf und tagsüber Tagesschläfrigkeit und Erschöpfung, welche nicht durch eine andere psychische oder körperliche Erkrankung besser erklärt werden können. Für einen polysomnografischen Nachweis sind mindestens 5 obstruktive Apnoen oder Hypopnoen pro Stunde Schlaf erforderlich. Bei Nicht-Vorliegen klinischer Symptome ist ein polysomnografischer Nachweis von 15 oder mehr obstruktiven Apnoen und /oder Hypopnoen pro Stunde Schlaf notwendig.

Wie wird eine obstruktive Schlafapnoe diagnostiziert und welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Ein obstruktive Schlafapnoe wird sowohl klinisch als auch instrumentell (Polygrafie und Polysomnografie) diagnostiziert.

Folgende Therapiemöglichkeiten kommen zum Einsatz

  1. konservativmedizinische Maßnahmen, wie Gewichtsreduktion, abendliches Meiden muskelrelaxierender Sedativa (Alkohol!), Fitnesstraining
  2. medikamentöse Maßnahmen, wie Verabreichung von Schutzmedikamenten gegen nächtlichen Sauerstoffmangel.
  3. HNO-Operationen (z.B. UPPP = Uvulopalatopharyngoplastik oder kieferchirurgische Eingriffe, z.B. Osteotomie)
  4. zahnmedizinische Therapien, wie mandibuläre Protrusionsbehelfe („Schnarchschienen“).
  5. nCPAP-Therapie (nasale kontinuierliche Überdruck(be)atmung) mit ihren Weiterentwicklungen, wie APAP (automatisierter CPAP) und BIPAP (Bilevel Positive Airway Pressure). Bei gemischten Apnoen bzw. bei  Cheyne-Stokes-Atmung und zentralen Apnoen kommt die adaptive Servo-Ventilation (ASV) zum Einsatz

Welche Ursachen hat Schnarchen und was kann man dagegen machen?

Die typischen Schnarchgeräusche entstehen durch eine Muskelerschlaffung, die beim Mann ab dem 40., bei der Frau ab dem 51. Lebensjahr klinisch relevant wird und wiederum Vibrationen des weichen Gaumens, des Zäpfchens und der Rachenwand verursacht. Weitere Folgen sind eine Verengung des Schlunds durch den forcierten Luftfluss, der auch durch eine zu große Zunge oder vergrößerte Gaumen- und Rachenmandeln mitverursacht sein kann. Schlafen in Rückenlage, erhöhter Alkoholkonsum, Rauchen, chronische Nasennebenhöhlenentzündungen und Erkältungen (verstopfte Nase) verstärken das Schnarchen. Alkohol lässt die Schlundmuskulatur erschlaffen und Nikotin die Schleimhäute entzündungsbedingt anschwellen, wobei eine nächtliche physiologische Gefäßerweiterung auch zum Anschwellen der Schleimhäute beiträgt. Dadurch wird das Atmen entsprechend erschwert und geräuschvoll.

Was hilft gegen Schnarchen?

•          Bei Übergewicht abnehmen!

•          Auf Alkohol (am Abend) verzichten!

•          Sedierende und muskelrelaxierende Medikamente meiden!

•          Wenig oder nicht rauchen!

•          Nicht auf dem Rücken schlafen!

•          Ausreichend schlafen! (Denn wer müde ist, schnarcht häufiger!)

•          Hals-Nasen-Ohren- und kieferchirurgische Operationen

•          Zahnmedizinische Interventionen („Schnarchschiene“)

Natürlich hilft auch der CPAP, doch wird dieser vornehmlich gegen die Schlafapnoe eingesetzt, da er bei primärem Schnarchen kaum von Patienten angenommen wird.