Zwischen Antidiabetika und Insulin
Diabetes Antidiabetika können bei Typ-2-Diabetikern die Gabe von Insulin länger hinauszögern. Wie lange, verrät Ihnen OA Dr. Roland Edlinger vom Wiener Krankenanstaltenverbund im Interview.
Was sind Antidiabetika und bei welchen Patienten kommen sie zum Einsatz?
Antidiabetika sind Medikamente, die bei Diabetes mellitus den Blutzucker senken. Bei Typ-1-Diabetikern kommt ausschließlich eine Insulintherapie in Frage, doch bei Diabetikern vom Typ 2 können auch orale Antidiabetika in Tablettenform verabreicht werden. Wir versuchen nach der Diagnose eines Diabetes vom Typ 2 immer zuerst durch Lebensstilmaßnahmen, mit Gewichtsabnahme und körperlicher Bewegung die Situation der verminderten Insulinempfindlichkeit zu verbessern. Wenn wir merken, dass diese Maßnahmen alleine nicht greifen, setzen wir Antidiabetika ein.
Welche Arten von Antidiabetika gibt es?
Bei der Behandlung mit oralen Antidiabetika gibt es unterschiedliche therapeutische Wirkungsmechanismen. Einige setzen bei der Insulinresistenz an, andere beim Sekretionsdefizit der Bauchspeicheldrüse.
Metformin beispielsweise senkt die Insulinresistenz und wirkt vorwiegend an der Leber, wo es die Zuckerausschüttung hemmt. Dieses Medikament ist die erste Wahl, denn es wird meist sehr gut vertragen und hat günstige Wirkungen über die Zuckersenkung hinaus. Ebenso über die Insulinresistenzschiene wirken Glitazone, welche die Insulinwirkung am Muskel- und Fettgewebe verbessern.
Des weiteren gibt es Medikamente welche die Insulinproduktion fördern. Bei Substanzen wie den Sulfonylharnstoffen, die nach der Einnahme laufend die Insulinausschüttung anregen, kann allerdings als Nebenwirkung eine Unterzuckerung auftreten, vor allem wenn der Patient nicht ausreichend gegessen hat. Eine Gewichtszunahme gehört hier ebenso zu den unerwünschten Nebenwirkungen.
Innovativere Medikamente beinhalten DPP-4-Hemmer, welche den Abbau eines Botenstoffs (GLP-1) aus dem Dünndarm hemmen. Diese Substanzklasse führt nur dann zur vermehrten Insulinproduktion, wenn diese notwendig ist, also in der Phase nach der Mahlzeit. Der Vorteil liegt also darin, dass keine Gefahr der Unterzuckerung besteht und es zu keiner Gewichtszunahme kommt.
Eine weitere neuartige Wirkstoffklasse, sogenannte SGLT2-Hemmer, führen zu einer vermehrten Zucker-
ausscheidung über die Nieren und stellen gewissermaßen eine Art Überlaufventil dar, wenn der Blutzucker ansteigt. Auch hier besteht keine Gefahr der Unterzuckerung und außerdem kommt es auch noch zu einer Gewichtsabnahme von einigen Kilogramm.
Warum wirken manche Antidiabetika auch gegen weitere Begleiterscheinungen von Diabetes?
Die Spätfolgen des Diabetes sind neben den Einflüssen des Blutdruckes und der Blutfette sehr stark durch die hohen Zuckerwerte bedingt. Die modernen Antidiabetika haben den Ruf, dass sie nebst ihrer zentralen Funktion der Blutzuckersenkung auch weitere positive Wirkungen auf die Blutgefäße, Blutgerinnung und die Blutplättchen haben. Sie können Spätfolgen wie Herzinfarkte reduzieren. Zusatzeffekte wie das Nicht-Dickmachen oder die Verhinderung der Unterzuckerung sind natürlich ebenfalls sehr positiv.
Wann muss ein Patient trotzdem auf Insulin umgestellt werden?
Wenn wir es mittels oraler Antidiabetika nicht mehr schaffen, den Zucker schön einzustellen, dann müssen wir auf Insulin umstellen. Die Nachteile: Die Patienten können dicker werden und sind öfter unterzuckert, wenn sie nicht kontrolliert essen. Keinesfalls darf der Beginn einer Insulinbehandlung allerdings hinausgezögert werden, wenn die Blutzuckereinstellung durch Tabletten alleine nicht mehr möglich ist.
Zu Beginn versuchen wir aber immer, über die Beeinflussung der zwei zentralen pathophysiologischen Mechanismen unser Ziel zu erreichen: Die Sekretion der Bauchspeicheldrüse lange aufrecht zu erhalten und die Insulinresistenz des Körpers zu senken. Das funktioniert mit den neuen Substanzklassen viel besser und vor allem nebenwirkungsärmer als mit den älteren. Ein wichtiger Schritt zur Steigerung der Einnahmetreue der Medikamente stellen auch Kombinationspräparate dar.