Lebensmittel: Allergie vs. Unverträglichkeit
Stoffwechselerkrankungen Wir besitzen soviel Informationen über unsere Lebensmittel wie noch nie zuvor, ein kurzer Blick auf ein Etikett genügt und sofort wissen wir über sämtliche Inhaltsstoffe Bescheid.
Facharzt für Allgemeinmedizin
In der Annahme uns gesund zu ernähren, essen wir reichlich Obst und Gemüse, fettreduzierte Milchprodukte und greifen zu Vollkornbackwaren, doch Lebensmittelunverträglichkeiten betreffen immer mehr Menschen. Dr. Jörn Reckel, Facharzt für Allgemeinmedizin, über Ursachen und die Hinterhältigkeit eines Käsebrotes.
Viele als gesund geltende Lebensmittel werden mit Lebensmittelunverträglichkeiten verbunden, wie können Sie dies erklären?
Nahrungsmittel wie Vollkorngetreide oder Milch sind zwar wertvolle Produkte, aber nicht in dem Ausmaß, wie wir diese täglich konsumieren. Morgens ein Brot oder Müsli, mittags Nudeln, nachmittags Gebäck, zwischendurch ein Eis oder Joghurt, unser Körper ist mit dieser Menge schlichtweg überfordert. Getreide und Milchprodukte sind für unseren Stoffwechsel neue Lebensmittel, der noch an eine fett- und proteinreiche Ernährung mit wenigen Kohlenhydraten angepasst ist. Vereinfacht gesprochen: Wir essen zu viel von den neuen Lebensmitteln, auf die unser Körper evolutionsbiologisch noch nicht eingestellt ist.
Was sind die grundsätzlichen Unterschiede zwischen einer Lebensmittelunverträglichkeit und eine Nahrungsmittelallergie?
Eine Allergie ist eine Abwehrreaktion des Immunsystems auf einen Eiweiß-Stoff, die Lebensmittelunverträglichkeit betrifft den Stoffwechsel. Die drei großen Gruppen der Unverträglichkeiten sind die Fructose-, Lactose- und Glutenintoleranz. Die Histaminintoleranz ist vom immunologischen Prozess eine Pseudoallergie. Es wird zwischen einer angeborenen und einer erworbenen Lebensmittelunverträglichkeit unterschieden, wobei besonders die letztere rasant zunimmt. Geringe Mengen eines bestimmten Lebensmittels werden zwar gut vertragen, doch bei Überschreitung einer Toleranzschwelle kommt es zu Beschwerden.
Welche Anzeichen lassen auf eine Lebensmittelunverträglichkeit schließen?
Viele PatientInnen beschreiben zwar die klassischen Anzeichen wie Blähungen oder Durchfall, eindeutige Symptome gibt es aber nicht. Viele klagen über Gelenksschmerzen oder über Erschöpfungszustände und würden gar nicht auf die Idee kommen, dass eine Lebensmittelunverträglichkeit oder -allergie im Spiel sein könnte. Der Verzehr eines simplen Käsebrotes, das immer wiederkehrende Symptome auslöst, kann vier verschiedene Ursachen haben. Der Betroffene könnte eine Weizenallergie haben, wo dieser auf alle hundert verschiedenen Eiweißstoffe des Getreides reagiert, er könnte glutenintolerant sein, es könnte sich um eine Milcheiweißallergie oder eine Milchzuckerintoleranz handeln.
Mit welchen Tests wird eine Lebensmittelunverträglichkeit festgestellt?
Bei Verdacht auf eine Lactose - oder Fructoseintoleranz wird ein Atemtest durchgeführt, Glutenintoleranz wird anhand einer Stuhlprobe festgestellt. Eine erworbene Nahrungsmittel-Allergie vom IgG-Typ kann mit einem Bluttest auf diverse Nahrungsmittel nachgewiesen werden. Eine Glutenintoleranz misst man am besten durch den Antikörpernachweis im Stuhl, denn im Stuhl ist die Intoleranz wesentlich eher zu beweisen als im Blut. Von der Glutenintoleranz ist die Zöliakie abzugrenzen. Diese ist ein schweres Krankheitsbild, das bei entsprechender genetischer Disposition eine schwere Entzündung der Darmschleimhautzotten auslöst.
Wie sehen die Therapiemöglichkeiten bei der Schädigung der Darmschleimhaut aus?
Bei einer Therapie werden Lebensmittel nicht nur reduziert oder komplett gestrichen, sondern es wird auch mit einer Sanierung der Darmflora und -schleimhaut begonnen, denn durch die Abwehrreaktion wird als Erstes die schützende Darmschleimhaut angegriffen, was zu schweren Darmschäden führen kann. Wir sollten uns grundsätzlich im Klaren sein, dass eine Intoleranz fast jeden betreffen kann. Die Reduktion der für uns neuen Lebensmittel in der Ernährung ist der erste Schritt in ein unbeschwertes Leben.