Angsstörungen: bloß keine Panik
Neurologie und Psyche Wer kennt die Fahrt in der Achterbahn der Gefühle nicht? Liebe, Freude, Schmerz, Wut, und Angst bereichern unser Leben und machen es doch manchmal zur Hölle.
Facharzt für Psychiatrie und ärztlicher Leiter des Zentrums für seelische Gesundheit Muldenstrasse, Linz
Wir erfühlen uns die Welt, durch sie können wir bestimmte Situationen und Personen immer wieder aufsuchen, aber auch vermeiden. Wenn aber ein Angstgefühl, mit Hilfe dessen wir eine drohende Gefahr wahrnehmen, nicht mit einer bestimmten Situation in Verbindung gebracht werden kann, wird das Empfinden zu einem Problem. Dr. Anastasios Konstantinidis, Facharzt für Psychiatrie und ärztlicher Leiter am Zentrum für seeli-sche Gesundheit in Linz über Angststörungen und Therapieformen, um der Angst das Fürchten zu lernen.
Ab wann spricht man von einer Angststörung?
Generell wird von einer Angststörung gesprochen, wenn Ängste unangemessen stark und häufig auftreten, besonders in Situationen, wo keine reale Bedrohung existiert. Diese sind mit starkem Leidensdruck für die betroffene Person verbunden, denn die spezifischen Auslöser sind oftmals nicht deutlich erkennbar. Es gibt mehrere Untergruppen der Angststörungen. Eine spezifische Form wäre zum Beispiel die Sozialphobie, die mit starken Erwartungsängsten in sozialen Situationen auftritt. Der Ablauf der Angstentwicklung und die damit verbundenen körperlichen Symptome sind jedoch bei allen Angststörungen der gemeinsame Nenner.
Ab wann spricht man von einer pathologischen Form der Angststörung?
Angst ist ein normales Gefühl, das in jeder Kultur vorkommt. Sie ist ein Alarmsignal auf eine drohende Gefahr und lässt uns in Sicherheit bringen. Wenn dieses Gefühl unangemessen lange und intensiv mit einer Einschränkung der Lebensqualität auftritt, kann von einer pathologischen Form gesprochen werden. Es ist eine sehr häufige Form der psychischen Erkrankung, im Durchschnitt tritt bei zehn Prozent der Bevölkerung jährlich eine Angststörung auf. Dabei sind die spezifische und die soziale Phobie am häufigsten vertreten, gefolgt von der generalisierten Angststörung.
Wie können Angehörige oder Freunde erkennen, ob jemand im persönlichen Umfeld an einer Angststörung leidet?
Betroffene Personen versuchen bestimmte Situationen zu vermeiden, die ein Auftreten der Angst auslösen, denn bei einer Angststörung sind direkte Zusammenhänge zwischen der konkreten Ursache und dem starken Gefühlsempfinden oft nicht klar ersichtlich. Es verringert sich kontinuierlich der gesellschaftliche Wirkungsradius der Betroffenen, was zu einer Isolation vom engsten Umfeld führen kann.
Ab welchem Zeitpunkt sollte professionelle Hilfe bei der Behandlung der Angststörung gesucht werden?
Es sollte bereits Hilfe in Anspruch genommen werden, wenn die Wahrnehmung von sozialen Alltags-
situationen abnimmt und eine Beeinträchtigung der Lebensqualität beginnt. Dies wäre der beste Zeitpunkt, um der damit verbundenen antizipatorischen Angst – der Angst vor der Angst - rechtzeitig zu begegnen. Je später Hilfe zu Rate gezogen wird, desto länger kann eine Therapie dauern, die sogar einen stationären Aufenthalt beinhalten kann.
Wie sehen Therapieformen aus?
Die größte Wirksamkeit bei allen Angsterkrankungen zeigt eine Kombination von medikamentösen und psychotherapeutischen Verfahren. Von einer gänzlichen Heilung ist selten zu sprechen, denn eine Angststörung kann phasenweise immer wieder auftreten. Grundsätzlich ist eine Therapie auf sechs bis zwölf Monate begrenzt. In diesem Rahmen wird einerseits der allgemeine Spannungszustand des Körpers reduziert, andererseits sollen die Betroffenen den Zusammenhang mit dem Angstzustand erkennen und richtig interpretieren lernen. Ein Soziales Kompetenztraining kann bei einer Sozialphobie besonders hilfreich sein. PatientInnen lernen bei diesem Training ihr Verhalten in bestimmten Situation zu üben und die empfundenen Gefühle und Kognitionen richtig einzuordnen.
Was tun beim Panikanfall?
Ein Panikanfall mitten in einer überfüllten U-Bahn oder kurz vor einem wichtigen Termin ist unangenehm und kann aufgrund der akuten Lage zum Kontrollverlust führen. Manchmal reicht schon ein Kaugummi oder ein Schluck kaltes Wasser, um den Körper zu beruhigen. Damit Sie aber auch für schwierigere Situationen gewappnet sind, können die zwei folgenden Übungen helfen:
Atmungskontrolle
Atmen Sie tief durch die Nase ein und durch den Mund ganz langsam wieder aus. Es hilft, wenn Sie die Lippen beim Ausatmen fast geschlossen halten, sodass Sie die Luft nur über einen kleinen Spalt herauslassen. Nach dem Ausatmen können Sie die Luft für 5 – 10 Sekunden anhalten. Wiederholen Sie diese Atemübung zwei bis drei Minuten lang und Sie werden merken, dass sich der Körper gleich entspannt und sich der Herzschlag wieder normalisiert.
Muskelentspannung
Die gezielte Muskelentspannung baut Stress ab und hilft die eigene Aufmerksamkeit von den akuten Angstsymptomen abzuwenden. Spannen Sie zunächst Ihre rechte Hand über fünf Sekunden an, indem Sie die Faust ballen, und entspannen Sie sie 20 Sekunden lang. Konzentrieren Sie sich dabei darauf, was mit den Muskeln passiert. Als nächsten Schritt spannen Sie die Muskeln des gesamten rechten Armes an und entspannen wieder. Diesen Vorgang wiederholen Sie genauso mit der linken Hand, gehen bis in den Schulterbereich hoch, konzentrieren sich anschließend auf die Füße, Vaden und Beine bis Sie den ganzen Körper überall einmal angespannt haben. Diese Technik nennt sich progressive Muskelentspannung.