Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Lalouschek
Facharzt für Neurologie, Systemischer Coach, Leiter des Gesundheitszentrums „The Tree“ in Wien

Seit 2013 ist in Österreich eine Evaluierung von psychischen arbeitsbezogenen Belastungen für Unternehmen vorgeschrieben. Warum aber eine alleinige betriebliche Maßnahme der Vielfältigkeit des Problems nicht gerecht werden kann, erklärt Univ.- Prof. Dr. Wolfgang Lalouschek, Facharzt für Neurologie, Systemischer Coach und Leiter des Gesundheitszentrums „The Tree“ in Wien.

Wie kann eine Trennlinie zwischen dem Burnout-Syndrom und anderen psychischen Erkrankungen mit ähnlichen  Krankheitsverlauf diagnostisch gezogen werden?

Eine Diagnose kann nur im Zusammenhang mit den klinischen Symptomen, der individuellen Situation und des zeitlichen Verlaufes beurteilt werden. Ein Burnout ist ein langsamer und schleichender Prozess, der sich über Monate und Jahre entwickelt. Die momentanen Symptome wie Erschöpfungsgefühl, Antriebslosigkeit oder verschiedene emotionale Beschwerden reichen noch nicht für eine zweifelsfreie Diagnose. Die meisten Menschen beschreiben die starke Veränderung ihrer Persönlichkeit, sie erkennen sich oft kaum wieder, denn in den meisten Fällen betrifft ein Burnout-Syndrom sehr aktive, soziale und leistungsfähige Menschen. Ein Burnout-Syndrom entsteht in der Regel aus einer Mischung zwischen äußeren und inneren Faktoren. Bei den PatientInnen sind häufig bestimmte Persönlichkeitsmerkmale als Disposition zu finden, wie beispielsweise ein gewisser Perfektionismus, diese können allerdings nicht Eins-zu-Eins auf die Burnoutentstehung umgelegt werden. Aus medizinischer Sicht wäre die Methode der Herzratenvariabilität zu nennen, eine Untersuchung des vegetativen Nervensystems, mit deren Hilfe die Stressregulation und die Regenerationsfähigkeit im Körper ermittelt wird. Diese Ergebnisse können anschließend in die individuelle Therapie miteinbezogen werden.

Wie wird ein individueller Therapieplan erstellt?

Eine seriöse Therapie des Burnout-Syndroms ist nur multiprofessionell möglich, da es durch individuelle Konstellationen mit verschiedenen Symptomen verursacht wird. Als Fundament ist immer auch eine medizinische Begutachtung erforderlich,  um andere Krankheiten, wie Blutarmut oder auch hormonelle Störungen, ausschließen zu können. Die zweite Säule ist die Psychotherapie in schwereren Fällen oder wenn traumatisierende Lebensereignisse in der persönlichen  Lebensgeschichte zu finden sind und die dritte Säule ist professionelles, lösungsorientiertes Coaching. Diese Beratungsform, die auch bei der Wiedereingliederung in den Beruf eine wertvolle Maßnahme ist, zielt auf rasche Fortschritte, um den oft sehr akuten Problemen der PatientInnen gerecht zu werden. Diese drei Säulen der seriösen Behandlung und Begleitung können durch verschiedene Beratungen im Bereich des gesunden Lebensstils zusätzlich unterstützt werden.

Wird das Burnout-Syndrom in der Bevölkerung als ernste Erkrankung wahrgenommen?

Es wächst zunehmend das Bewusstsein in Betrieben, denn ein Burnout-Syndrom betrifft oft wertvolle ArbeitnehmerInnen in besonderen Position, die den Unternehmen durch ihren Ausfall und eine verminderte Leistungsfähigkeit starke sekundäre Kosten verursachen. In vielen Firmen werden bereits umfangreiche Programme erstellt um gemeinsam mit den ArbeitnehmerInnen psychischen Überlastungen vorzubeugen und präventive Maßnahmen zu ergreifen. Diese müssen sowohl die individuelle Arbeiternehmerseite als auch die organisatorische Ebene eines Unternehmens umfassen.

Welche Präventionsmaßnahmen kann ich selbst ergreifen, um nicht an einem Burnout-Syndrom zu erkranken?

Wichtig sind regelmäßige Reflexionsphasen, in denen wir unsere derzeitige Lebenssituation ausloten. Sei es alleine, um Abstand zu gewinnen, im Austausch mit PartnerIn, KollegInnen, Freunden oder auch im Rahmen eines professionellen Gesprächs. Wie ein Schiff auf hoher See müssen auch wir immer wieder unsere derzeitige Position bestimmen und unseren Kurs setzen, sonst können wir Gefahr laufen, das Gesamtziel unserer Lebensperspektive zu verfehlen.