Interview mit Joesi Prokopetz
Neurologie und Psyche Thomas Klein und Joesi Prokopetz haben ihre ganz eigenen Erfahrungen mit der Depression gesammelt. Beiden gemein ist aber die Überzeugung, dass der Krankheit noch immer zu wenig Beachtung geschenkt wird. Thomas Klein setzte sich bereits in zwei Büchern mit ihr auseinander, Joesi Prokopetz engagiert sich für das Anton-Proksch-Institut in Wien, wo hauptsächlich Alkohol- und Drogenabhängige behandelt werden, beides häufige Folgeerscheinungen der Depression.
Woran haben Sie bemerkt, dass Sie und Ihr Leben sich verändern?
An schleichender Glücksunfähigkeit, wachsendem Sinnverlust und somnambuler Tristesse.
Wann wussten Sie, dass Sie depressiv sind und das nicht bloße eine Phase ist?
Erst nach einem knappen Jahr, als mir mein Hausarzt sagte: „Du hast eine ausgewachsene Depression.“
Wie hat sich das auf Ihre Arbeit ausgewirkt?
Ich habe - gewissermaßen neben mir stehend - funktioniert. Meine Engagements haben mir vielleicht sogar „das Leben gerettet“, denn die zwei Stunden auf der Bühne ein Anderer sein müssen, waren die einzige Zeitspanne, in der die Entsetzlichkeit nicht so spürbar war.
An welchen Punkt war klar, dass man da nicht allein rauskommt? Muss dafür „der Schneeball zur Lawine werden“, wie Sie in einem Interview einmal gesagt haben?
Als sich körperliche Symptome unterschiedlichster Art zeigten und sich dazu die Überzeugung breit machte, ich litte unter einer Todeskrankheit.
Was haben Sie unternommen, um wieder gesund zu werden? Was haben Sie in Ihrem Leben verändert?
Ich habe nach ca. einem Jahr – mit der größten Anstrengung, mich aufzuraffen - eine „Gesundenuntersuchung“ gemacht. Im Rahmen derer auch meine Depression festgestellt wurde. Geholfen haben mir dann diesbezüglich Medikamente und eine Gesprächstherapie. Ich empfinde mich aber nicht als „geheilt“ im Wortsinn. Ich bin über lange Zeitspannen beschwerdefrei, wie gesagt wird. Die Depression ist gewissermaßen stets ein „steinerner Gast“.
Welche Rolle hat Ihr näheres Umfeld dabei gespielt? Sind Sie bereits von Anfang an damit offensiv umgegangen?
Nein, ich war die ersten Monate nur verwundert. Der Zustand schleicht sich ja ein, bis er so richtig virulent wird. Ich habe funktioniert, wie gesagt.
Wie haben die Erkrankung und Ihre Heilung Ihren Blick auf das Leben verändert?
Ich habe „gelernt“, dass das Leben in seiner Kontingenz, nur eine Episode zwischen zwei „Nichtsen“ sein kann. Und „Jesus loves you“ oder Ähnliches kühne Hypothesen sind.
Sie haben einmal von der Schicksalshaftigkeit einer solchen Erkrankung gesprochen. Ist das auch etwas, dass sich in Ihrer Arbeit widerspiegelt oder ist der Hang zum Abgründigen etwas, dass Sie ohnehin auch seit Ihrer Zeit als Liedertexter begleitet? Ihr letztes Programm trägt ja zum Beispiel den kokett pessimistischen Titel „Vorletzte Worte“.
Schicksalshaftigkeit ist, wie ich meine, ein falscher Begriff; die Wendungen, die unser Leben nimmt, geschehen aus einer kalten Beliebigkeit heraus. Und die entzieht sich in jeder Weise unserer Einflussnahme.
Die nachhaltige Pointe kommt ja immer aus den Abgründen der Verzweiflung und den Katakomben der Resignation. Alles andere aber wäre schlechtes Kabarett oder gar „Comedy“.
Die medizinische Versorgung von Depressions-PatientInnen ist noch immer mit erheblichen privaten Kosten verbunden, gleichzeitig nehmen (vor allem auch Ermüdungs-)Depressionen zu. Glauben Sie, dass zumindest die Tabuisierung der Erkrankung rückläufig ist?
Ich habe den Eindruck, dass manche - und gar nicht so wenige - Menschen die Depression „romantisieren“ und ich manchmal den - selbstverständlich subjektiven - Eindruck habe, dass mit einem „Burnout“ fallweise geradezu geliebäugelt wird. Vor allem an Fenstertagen. So gesehen ist die Tabuisierung rückläufig.